"Der Ledersprung ist auch heute noch Teil des Aufnahmerituals in den Bergmannsstand. Nach Beantwortung von vier Fragen leert der Anwärter ein Glas Bier und springt von einem Bierfass herab über ein „Arschleder“, das von zwei Bergleuten (ältester Arbeiter und ältester Bergingenieur) gehalten wird. Das Bergleder ist als Teil der Tracht zum Symbol der Bergmannsehre geworden. Das Arschleder zählte zur Kleidung des Bergmannes. Es diente als Schutz vor dem Durchwetzen des Hosenbodens bei der Arbeit sowie zum persönlichen Schutz gegen Bodennässe beim Sitzen. Außerdem hatte es eine Schutzfunktion insbesondere beim Einfahren in tonlägige Schächte. Das Arschleder ist ein halbrundes Lederstück und wurde am Leibriemen getragen."
Wer heute über das Leder springt, ob Bergmann, Hüttenmann oder wie immer die Studienrichtungen in Leoben heißen, er wird „Ehrenbergmann“. Mit diesem Titel werden auch Persönlichkeiten ausgezeichnet, die nicht direkt zum Montanwesen gehören, sich darum aber verdient gemacht haben, verbunden mit dem Recht, den „Bergkittel“ zu tragen.
Es ist gesichert, dass der Brauch des Ledersprungs von der Bergakademie Schemnitz, später Selmecbanya, heute Banska Stiavnica in der Slowakei, nach der Revolution von 1848 durch den Auszug der Studenten deutscher Sprache nach Leoben kam, damit wohl auch an anderen Bergschulen bekannt wurde und in der kaiserlich-königlichen Montanlehranstalt zu Leoben unter dem Direktor Peter von Tunner besonders gepflegt wurde.
Der Brauch des Ledersprungs lässt sich in die Reihe der bei den mittelalterlichen Zünften üblichen Aufnahmeriten einordnen. (...)
Form und Bedeutung sind aber zeitgemäß gestaltet, weit davon entfernt, als Überbleibsel einer vergangenen Zeit eingeordnet zu werden. Nur wer Brauchtum allgemein ablehnt, wird auch am Leobner „Ledersprung“ Negatives finden.
Die konkrete Form lässt sich in drei Bereiche gliedern: 1. Die Befragung nach Name, Herkunft, Stand und Wahlspruch; 2. das Trinken und 3. der Sprung über das „Arschleder“.
- Die Befragung nach Name, Herkunft, Stand und Wahlspruch, bei den Verbindungen durch den Fuxmajor, bringt die Legitimation der Persönlichkeit, die sich offen zu Heimat und Beruf bekennt zum Ausdruck, wobei die Sprüche oft mehr originell gedacht als ernst gemeint sind.
- Das Trinken auf dem Fass, endend mit einem „Hoch“ auf die Verbindung oder Universität, soll die Lebenslust des neuen „Montanisten“ ausdrücken, wobei das „ex“, das Leeren des Bierglases in einem Zug, vor dem Sprung gefordert wird.
- Der Sprung über das „Arschleder“ ist der eigentliche Vorgang: Der beherzte Eintritt in den neuen Stand, der einst besonders bei den Bergleuten auch große Gefahren enthielt. Die Bergleute aller sozialen Stufen, vom Knappen (Arbeiter) im Berg über die Führungsschicht (Steiger, Hutmann) bis zu den Bergherren und Professoren, verstehen sich als eine Schicksalsgemeinschaft, heute auch über den ganzen Erdball verstreut und auf alle Leobener Studienrichtungen angewendet. Dies wird auch dadurch ausgedrückt, dass die Ältesten das Symbol des neuen Standes, das „Arschleder“, für den Sprung halten, beim Leobener Ledersprung keine kleine Aufgabe.
Der Ledersprung ist somit ein Symbol für die Zusammengehörigkeit der Montanisten, auch in der neuen Form, die alle Studienrichtungen der Montanuniversität umfasst, nicht nur den Bergmann, der am Beginn dieses Brauches steht. Und sollte man Erzähltem glauben, nicht nur in den Ländern Mitteleuropas, sondern auch in Nord- und Südamerika, auch in Australien, soll es gelegentlich bergmännische Feiern mit „Ledersprung“ geben.
Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. mont. Dipl.-Ing. Gerhard Sperl
Institut für Historische Werkstoffe, Präsident des Montanhistorischen Vereines Österreich